Anästhesie und Heilungsprozess
Anästhesie
Prinzipiell besteht die Möglichkeit, vor dem Stechen des Piercings eine Betäubung der Körperstelle durchzuführen. Dies kann auf zwei Arten erfolgen:
- Regionalanästhesie: Dabei wird mit einer Spritze ein subdermal (im Gewebe) wirkendes Anästhetikum eingebracht. Nach einer Zeitperiode von zirka fünf bis zehn Minuten ist die betreffende Körperstelle betäubt. Jedoch stellen sich hier folgende Probleme dar: zum einen darf aufgrund rechtlicher Bestimmungen eine Injektion nur von einem Arzt oder einer medizinischen Fachkraft durchgeführt werden, nicht von einem Piercer. Weiterhin ist diese Form nicht empfehlenswert, da die Schmerzen des Piercings quasi nur gegen vergleichbarer Schmerzen der Spritze „ausgetauscht“ werden, sowie ist diese Form der Betäubung mit Nebenwirkungen und Risiken verbunden, die dem Schmerz des Piercings nicht angemessen sind.
- Oberflächenanästhesie (topische Anästhesie): hierbei wird ein Wirkstoff in Form von Salbe oder Spray direkt auf die Hautoberfläche aufgetragen. Dabei werden vorwiegend Produkte auf Basis von Lidocain, Procain oder Benzocain verwendet. Bei dieser Form besteht das Problem, dass sie nur für Schleimhautgewebe geeignet ist, da sonst die tieferen Gewebeschichten nicht erreicht werden und das Stechen des Piercings damit nicht weniger weh tut. Aus genannten Gründen wird auf eine Anästhesie vor dem Piercing häufig verzichtet.
Heilungsprozess
Da die Wunde eines neuen Piercings vom eingesetzten Schmuck offen gehalten wird, bildet sich während der Heilungsphase von außen nach innen ein Hautschlauch entlang des Stichkanals, der den Schmuck umschließt. Dabei wird zunächst nach der Gerinnung eventueller Blutungen die Durchblutung im umliegenden Gewebe gefördert, was in der ersten bis zweiten Woche häufig zu Rötung, Schwellung und Erwärmung führt. Blutgerinnsel werden durch abgesonderte Wundflüssigkeit heraus gespült. Bei einer Infektion kann es zum Austreten von bakterienbekämpfenden Leukozyten (Eiter) kommen.
Die Dauer des Heilungsprozesses ist abhängig von verschiedenen Faktoren wie Schmuckmaterial, Hygiene, Pflege und der durchstochenen Körperstelle, sowie dem allgemeinen Gesundheitszustand und Alkohol- oder Nikotinkonsum. Während gut durchblutete Schleimhäute und Intimpiercings mit regelmäßigem Kontakt von Eigenurin vorteilhafter verheilen, gestaltet sich der Prozess bei Knorpelgewebe langwieriger, da Knorpel keine eigenen Blutgefäße besitzen, sondern von der darüber liegenden Knorpelhaut mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden.
Maßnahmen zur Beschleunigung der Heilung
Das Piercing sollte während der gesamten Abheilphase regelmäßig mit einem Antiseptikum gereinigt werden, Quellen zusätzlicher Keimbelastung, wie das Baden in Schwimmbädern oder Badeseen sollten während der Heilphase unterlassen werden.
Einen Problemfaktor stellt die Reizung durch regelmäßige Bewegung oder Reibung dar, wonach sich zum Beispiel der Heilungsprozess eines Bauchnabelpiercings mit permanentem Kontakt zum Hosenbund als problematisch gestalten kann. Entsprechend gilt für Intimpiercings, dass innerhalb der ersten 4 Wochen auf den Geschlechtsverkehr verzichtet werden sollte, da dies eine zu starke Belastung des Stichkanals mit sich bringt (vorsichtige manuelle Stimulation ist jedoch nach einigen Tagen möglich). Bis zur vollständigen Abheilung sollte ein Kondom getragen werden, um Verunreinigungen durch Keime und mechanische Einwirkungen (der Schmuck scheuert hin und her) zu reduzieren.
Wird der Schmuck innerhalb der ersten Wochen nach dem Stechen gewechselt, kann der Heilprozess dadurch ebenfalls negativ beeinflusst werden und die Infektionsgefahr steigen.